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Caritas romana (engl. Roman Charity)

Der römische Schriftsteller Valerius Maximus veröffentlichte etwa im Jahr 30 n.Chr. eine mehrerbändige Anekdotensammlung unter dem Namen " Factorum et dictorum mirabilium libri". In Band 5., Kapitel 4 findet man Geschichten über Eltern-, Geschwister- und Vaterlandsliebe. Dazu gehört auch die besondere Geschichte von Cimon und Pero.
Hier ist die Geschichte: Der Philosoph oder Seher Cimon (Myron???) wurde zum Tod durch Verhungern verurteilt. Nur seine Tochter Pero durfte ihn im Kerker besuchen und wurde von den Wachen streng auf mitgebrachte Lebensmittel kontrolliert. Die Tochter aber ernährte ihren hungernden Vater bei den Besuchen, indem sie ihm heimlich die Brust gab: "velut infantem pectori suo admotum aluit". Nachdem Cimon auch nach langer Kerkerhaft nicht starb, wurden die Richter hellhörig und erfuhren schließlich den Grund. Beeindruckt von der töchterlichen Liebe und Barmherzigkeit wurde Cimon dann begnadigt.
Diese Geschichte wurde zum Symbol christlicher Nächstenliebe und Barmherzigkeit und taucht ab dem 15.Jh. auch oft in Gemälden auf.
In einer Historiensammlung von Boccaccio (1313-1375) wird an diese Geschichte von Valerius erinnert. Boccaccio nannte Pero die barmherzige Tochter Romana, weshalb das Grundmotiv der Geschichte mit dem Namen Caritas Romana in die Kunstgeschichte einging und als Symbol für Nächstenliebe und Barmherzigkeit gilt. Mittlerweile existieren mindestens 300 Caritas-Romana-Gemälde.

Das Beeindruckende an der Geschichte von Cimon und Pero ist, daß Pero bereit ist, zwei starke Tabus zu überschreiten, weil sie damit ihren Vater retten kann: Zum einen das Tabu, einem Erwachsenen die Brust zu geben und zum anderen eigentlich auch das Inzest-Tabu. Die Geschichte selbst ist zunächst bar jeder Erotik und es geht tatsächlich nur um einen Akt der Barmherzigkeit. - Allerdings um eine sehr körperliche Barmherzigkeit mit sehr tiefen Emotionen.
Eine ganz andere Frage ist, was ein Künstler aus diesem Thema macht. Von Rubens stammen zum Beispiel mindestens 3 Caritas-Romana-Gemälde, auf denen das Thema ganz unterschiedlich verarbeitet ist. Die einen setzen verschiedene Mittel ein, um die Erotik der Situation zu zerstreuen: Pero wendet ihr Gesicht vor Scham ab oder ein Kind ist dabei oder andere Personen, Körperkontakt fehlt u.s.w.
Auf anderen Gemälden widerum finden sich ganz deutliche erotische Bezüge. Der Künstler Hans Sebald Beham fertigte z.B. im Jahr 1544 einen Kupferstich, in dem Pero Cimon umarmt und es zu einem großflächigen Körperkontakt kommt, bei dem ihre Knie zwischen seinen Schenkeln sind. Hier folgen ein paar Caritas-Romana-Gemälde als Beispiele:
Bronze-Medaille aus Padua oder Venedig um 1500
Hans Sebald Beham 1540
Hans SebaldBeham 1544
rechts vertikal: "ICH LEB VON DER BRVST MEINER DOCHTER"
unten: "CZINMON"
Kunsthalle zu Kiel
Abraham Bloemaert um 1610
Peter PaulRubens 1612
Peter PaulRubens 1635
Lorenzo Pasinelli 1670
Bernardino Ludovisi ? (1713-1749)
Anonym Italien 18. Jh.
Friedrich von Amerling 1822
Helene Knoop, Norwegen 2002/2003
Kvinne ammer skadet mann
(Frau stillt verletzten Mann)